Gewalt

Eine Auseinandersetzung ...

… damit, was Gewalt bedeutet, ist eine Grundvoraussetzung für die Arbeit in der Gewaltprävention und hilfreich für das Verständnis und die Einordnung der rechtlichen Grundlagen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnet Gewalt in ihrem „Weltbericht Gewalt und Gesundheit“ von 2003 als: „Der absichtliche Gebrauch von angedrohtem oder tatsächlichem körperlichem Zwang oder physischer Macht gegen die eigene oder eine andere Person, gegen eine Gruppe oder Gemeinschaft, der entweder konkret oder mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Verletzungen, Tod, psychischen Schäden, Fehlentwicklungen oder Deprivation führt.“

Gewalt umfasst also ...

… schädigende Verhaltensweisen, die von einer Person gegen sich selbst verübt werden (zum Beispiel sich selbst verletzen oder Selbstmord)

… Gewalt, die durch eine oder mehrere andere Personen ausgeübt wird (zum Beispiel Misshandlung in der Familie, Übergriffe durch Fremde oder Übergriffe in der Schule oder am Arbeitsplatz)

… Gewaltanwendung durch größere Gruppen wie Staaten, Milizen oder Terrororganisationen, mit dem Ziel politische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Interessen durchzusetzen (zum Beispiel bewaffnete Auseinandersetzungen, Völkermord, Missachtung der Menschenrechte oder Terrorismus)

Gewalthandeln umfasst ...

… nach der WHO nicht nur körperliche Verletzungen (= physische Gewalt), sondern auch mündliche Drohungen und Einschüchterungen (= psychische Gewalt). Die Gemeinsamkeit von allem Gewalthandeln ist, dass die Folgen schädlich sind oder sein können für die körperliche oder seelische Gesundheit einer oder mehrerer Personen, und bis hin zum Tod führen können.

Gewaltbegriff nach Galtung ...

Über diese zwischenmenschliche Form von Gewalt hinaus geht der inzwischen klassische, umfassendere Gewaltbegriff nach Galtung (1971), wonach Gewalt bereits dann vorliegt, „wenn Menschen so beeinflußt werden, daß ihre aktuelle somatische und geistige Verwirklichung geringer ist, als ihre potentielle Verwirklichung“ (Galtung 1971).

Gewalt findet immer in
einem sozialen Rahmen statt. ...

Es gibt soziale bzw. gesellschaftliche Rahmenbedingungen, die die Anwendung von direkter Gewalt gegen andere Menschen begünstigen bzw. wahrscheinlich machen und die manche Menschen in ihren Verwirklichungschancen einschränken. Diese sind bei der Gewaltprävention mit zu berücksichtigen, wenn diese tatsächlich wirksam sein soll. Diese Rahmenbedingungen lassen sich auf der Ebene von Institutionen bzw. auf gesellschaftlicher/struktureller Ebene finden.

Daraus ergeben sich die drei Dimensionen von Gewalt …

Ein Beispiel für Gewalt, die geflüchtete Frauen, Kinder und Jugendliche derzeit in Aufnahmeeinrichtungen erleiden müssen …

Manche Frauen, Kinder und Jugendliche werden derzeit in Aufnahmeeinrichtungen der Bundesrepublik zu Geschlechtsverkehr gezwungen, indem sie unter Druck gesetzt werden, dass das ihnen zustehende Geld ansonsten nicht ausgezahlt werden würde. Dies kann beispielsweise durch Beziehungspartner, Mitbewohner und Mitarbeitende der unterschiedlichen Einrichtungen sowie auch der in den Einrichtungen tätigen Firmen (z. B. Sicherheitsfirmen) erfolgen.

Direkte Gewalt

Diese Form der Gewalt wird aus Sicht der Betroffenen selbst teils heruntergespielt oder still ertragen, weil viele Frauen sie bereits aus ihrem Herkunftsland oder von der Flucht kennen und die Erfahrung gemacht haben, dass sie ihr schlicht ausgesetzt sein müssen.

Institutionelle Gewalt

Institutionell wird diese Form von Gewalt dadurch unterstützt, dass von staatlicher Seite nicht immer verpflichtende Einstellungskriterien für Mitarbeitende bezüglich eines Führungszeugnisses oder einer Überprüfung der persönlichen Eignung gelten. Soziale Beziehungen, die die Frau schützen könnten, gibt es (insbesondere direkt nach der Ankunft) oft kaum.

Strukturelle Gewalt

Strukturelle Gewalt ist bereits durch die Aufnahmesituation der Frau festzustellen: Sie ist teils alleine, hat keinen gesicherten Aufenthaltsstatus oder ist abhängig vom Aufenthaltsstatus ihres Ehemannes und muss mitunter in der vorgeschriebenen Einrichtung mit den beschriebenen Security-Mitarbeitern leben. Gelder des Jobcenters werden bei Paaren oder Familien häufig an den Mann ausbezahlt.

Frauen und Kinder mit Migrationshintergrund sind oft von mehreren Gewaltformen gleichzeitig betroffen:
Neben Gewalt gegen Kinder bzw. Frauen trifft sie auch fremdenfeindliche Gewalt.