Kultursensibles Beraten

Hier finden Sie Fallbeispiele, die Gewalterfahrungen aus Sicht Betroffener schildern. Zunächst wird in einem Text die anfängliche Situation beschrieben. Hier wird geschildert, wie Gewalt gegenüber Betroffenen zum Ausdruck kommen kann. Anschließend werden Sie durch Multiple-Choice-Formate nach möglichen Gründen oder nach möglichen beraterischen Maßnahmen gefragt. Sie erhalten dann in einem Hörtext Rückmeldung zu Ihrer Wahl. Bei der passenden Wahl hören Sie, wie Betroffene in ihrer geschilderten Situation kultursensibel beraten werden können.

Auftrag für Sie ...

Lesen Sie den Text neben ‚Fallbeispiel‘, der die Situation und Gewalt schildert! Wählen Sie auf Grundlage des Textes die passende Multiple-Choice-Antwort aus! Klicken Sie dann auf ‚mehr erfahren‘, um durch einen Hörtext zu erfahren, wie die Fallarbeit kultursensibel gelöst werden kann!

Fallbeispiel 1

Ein Mädchen wuchs in einem familiären Umfeld auf, in dem sexuelle Gewalt ‚normal‘ war. Die Mutter, die selbst sexuelle Gewalt durch ihren Ehemann erlitt, wollte und konnte das Kind nicht vor den sexuellen Übergriffen schützen. Sie suchte keine Hilfe, weil sie nicht wusste, dass die Tochter Hilfe brauchte bzw. dass ein Leben ohne sexuelle Gewalt möglich ist.

Benennen Sie eine sehr wahrscheinliche Folge für das betroffene Mädchen!

A.) Das Mädchen entwickelt einen aufgeklärten Umgang mit Sexualität

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B.) Das Mädchen hat Schwierigkeiten, Körperempfindungen wahrzunehmen und einzuordnen

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C.) Das Mädchen sucht verstärkt Zuwendung durch nicht körperliche Formen.

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Fallbeispiel 2

Y. ist Jesidin. Sie gehört einer religiösen Minderheit an, die im Irak systematisch durch den „Islamischen Staat“ verfolgt, misshandelt und getötet wurde. Im Gespräch ist Y. aufgeregt und verzweifelt. Sie zeigt eine Tüte voller Analgetika und Schlafmittel, die sie gegen Schmerzen am ganzen Körper und Schlafstörungen bekommen habe. „Wenn ich nur nicht diese Schmerzen hätte, dann würde es mir besser gehen. Die Ärzte sagen, mein Körper ist in Ordnung. Es liege an der Psyche, dass ich Schmerzen habe. Ich verstehe es nicht. Ich habe doch Schmerzen, ich spüre es am ganzen Körper.“ Zusätzlich zu den Schmerzen habe sie ein Gefühl, dass ihr Körper beschmutzt sei. Sie müsse sich täglich mehrfach duschen. Dennoch habe sie nicht das Gefühl, dass der Körper sauber sei.

Bennen Sie einen in diesem Beispiel wahrscheinlichen Grund für die andauernden Schmerzen!

A.) Y. hat zu wenige bzw. die falschen Medikamente verschrieben bekommen

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B.) Y. hat eine Abhägigkeit von den Schmerz- und Schlafmitteln entwickelt.

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C.) Y. leidet unter den Folgen der Misshandlungen durch den ‚IS‘. Diese drücken sich durch körperliche Beschwerden aus.

Fallbeispiel 3

Nach eigener Aussage liebt der Vater seine zwölf Jahre alte Tochter über alles. Deshalb schmuse er mit ihr, erklärt er ihr. Er will sie am ganzen Körper berühren. Die Oma kommt immer sonntags zu Besuch. Sie will von der Zwölfjährigen einen Kuss. Der Papa und auch die Oma nennen „gute Gründe“, warum sie das Mädchen berühren oder küssen: „In unserer Familie machen wir das so, deshalb musst du stillhalten und darfst darüber nicht reden.“ In seinem Herkunftsland hätten alle Väter mit ihren Töchtern Sex, erklärt er ihr. Nun sei sie dran, weil die Mama nach vier Kindern sexuell nicht mehr aktiv sei. Schließlich betont der Vater gegenüber seiner Tochter: „Du darfst nicht darüber sprechen. Sonst bist du nämlich schuld daran, wenn ich ins Gefängnis komme.“

Bennen Sie mit den passenden Schlüsselwörtern, die Art und Weise, mit der der Vater vor der Tochter seine Gewalt rechtfertigt!

A.) Liebe, Kultur und Schuldübertragung

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B.) Besuch und Einstellung der Verwandten

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C.) Alter und Verhältnis der Tochter zu Verwandten

Fallbeispiel 4

Die 24-jähre türkischstämmige A. berichtet aus ihrem Leben. Bis zu ihrem 16. Lebensjahr habe sie in der Türkei bei ihren Großeltern gelebt. Die Eltern haben sie mit den anderen Geschwistern, die in Deutschland geboren waren, einmal im Jahr während des Urlaubs besucht. Sie habe lediglich acht Jahre die Schule besucht. Dann wurden die Großeltern krank und sie musste sie versorgen. Deshalb habe sie nicht weiter zu Schule gedurft.

Gegen ihren Willen sei sie im Alter von 16 Jahren mit einem türkischen Mann aus Deutschland verheiratet worden. Er sei 12 Jahre älter als sie. Sie zog zu ihm nach Deutschland. Seitdem sei sie immer wieder von ihrem Ehemann geschlagen und vergewaltigt worden. Die Gewalt und Schmerzen, die ihr Ehmann ihr zugefügt habe, könne sie nicht vergessen. Dass ihr Mann alkohol- und spielsüchtig gewesen sei, erwähnt sie in diesem Zusammenhang. Seitdem sie in Deutschland ist, habe sie nicht arbeiten dürfen. Hier habe sie auch relativ schnell Kinder bekommen. Sie habe vorher keine sexuellen Erfahrungen gehabt.

Weiter berichtet sie über ihren Mann Folgendes: Er gehe oft fremd. Daraus mache er keinen Hehl, da er sie für sexuell unfähig halte. Er selbst sage offen Dinge wie: Er liebe sie nicht. Seine Eltern hätten ihn zur Ehe gezwungen. Und er habe eine deutsche Freundin, die er nicht habe heiraten dürfen. A. weiß, dass ihr Ehemann weiterhin die Beziehung zu der deutschen Frau habe. Deshalb wolle sie sich scheiden lassen.

Benennen Sie in Bezug auf dieses Fallbeispiel mögliche Gründe, warum sich A. nicht einfach scheiden lassen kann.

A.) Kollision zwischen türkischem und deutschen Recht

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B.) Kombination aus emotionaler Abhängigkeit und Existenzverlust

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C.) Kombination aus finanzieller Abhängigkeit und "Ehrverlust"

Benennen Sie die Maßnahme, die A. in dieser Situation vermutlich am ehesten braucht, um die erlebte Gewalt aufzuarbeiten!

A.) Möglichst wenig Täterkontakt

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B.) Möglichst schnell Sorgerecht für Kinder einklagen

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C.) Möglichst viel die Eltern einbeziehen

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