Startseite » Kinder » Gestaltung der Bindung und Beziehung nach Flucht und Migration
Kinder brauchen neben einer angemessenen Versorgung und Pflege auch liebevolle und fürsorgliche Zuwendung durch (mindestens) eine vertraute Person. Eine sichere Mutter-Kind-Bindung, wie sie sich insbesondere in den ersten zwei Lebensjahren entwickelt, ist eine wesentliche Grundlage für eine gesunde Entwicklung. Sie hat langfristige Auswirkungen für das Kind. Das Thema Bindung ist daher besonders für werdende Eltern und für Eltern mit kleinen Kindern von Bedeutung.
Einigen zugewanderten Eltern fehlt möglicherweise das Wissen über die Bedeutung der Bindung. Es kann wichtig sein, über die Auswirkungen einer unsicheren Bindung, wie sie infolge einer gewaltvollen Erziehung (einschließlich Vernachlässigung) entsteht, zu informieren. Es ist zu verdeutlichen, dass die Auswirkungen einen langfristigen Einfluss auf die Persönlichkeit des Kindes haben und u.a. zu einem negativen Selbstkonzept, zu Hilflosigkeit oder Feindseligkeit führen können. Eine sichere Bindung hingegen, wie sie durch Zuwendung und Aufmerksamkeit gegenüber den Säuglingen und Kleinkindern entsteht, fördert die Selbstsicherheit, die sozialen Fähigkeiten und auch die intellektuellen Leistungen.
Auch die Bindung der Eltern zu den eigenen Eltern sollte angesprochen werden. So können mögliche negative Bindungs-Muster aus der eigenen Kindheit, z. B. selbst erlebte Gewalt, transparent gemacht werden.
Nach einer (Flucht-)Migration muss die Beziehung und Bindung zu den Kindern auch oft den veränderten Lebensbedingungen angepasst werden. Insbesondere die Veränderung der Familienstruktur von der Großfamilie zur Kernfamilie macht eine Anpassung des elterlichen Bindungs- und Erziehungsverhaltens gegenüber ihren Kindern oft erforderlich. Für die Eltern kann es wichtig sein zu verstehen, wie sie zielführend die Beziehung und Erziehung gestalten können, wenn sie die alleinige Verantwortung für ihr Kind haben. In Deutschland gängige Methoden bzw. Manuale zur Beziehungs- und Bindungsgestaltung können hier gut angewandt werden, da sie auf die Kernfamilie als Familienform ausgerichtet sind.
Bei geflüchteten Familien kann es durch die Situation im Herkunftsland oder durch die Flucht zu Trennungen zwischen Eltern und Kindern kommen. Diese können sich ungewollt auf die Bindung zwischen Eltern und Kind auswirken. In manchen Fällen, je nach Dauer der Trennung und Alter der Kinder, kann die Eltern-Kind-Bindung auch in einem späteren Alter (bis ca. 6 Jahre) noch aufgebaut und die Folgen der Trennung überwunden werden. Manchmal bleibt die Bindung problematisch oder führt zu konflikthaften Dynamiken zwischen Eltern und Kindern. In diesem Fall ist es wichtig, dass die Eltern verstehen, dass die Trennung eine mögliche Ursache für Konflikte darstellen kann. Anstatt zu viel Zuneigung und Nähe von ihren Kindern zu erwarten, so als hätte es die Trennung nicht gegeben, sollten sie würdigen, dass die Verlusterfahrung und die möglicherweise damit verbundene negative Bindungserfahrung von den Kindern (und den Eltern) bewältigt werden muss. In manchen Fällen kann eine Psychotherapie helfen, die Erfahrungen aufzuarbeiten.
Kinder lieben es, körperliche Wärme zu spüren, die vertraute Stimme zu hören und das vertraute Gesicht zu betrachten. Das gibt ihnen Sicherheit und Geborgenheit. Immerhin ist ja ihr Überleben von der Versorgung durch andere abhängig.
Tragen Sie Ihr Baby viel, streicheln Sie es, schauen Sie es an und sprechen Sie mit ihm, auch wenn es selbst noch nicht sprechen kann. Umarmungen und liebevoller Körperkontakt lassen sich als feste Rituale in den Alltag integrieren, z. B. durch Kuscheln beim Aufwecken und Einschlafen oder Umarmungen beim Verabschieden und Begrüßen.
Achten Sie auf die Signale des Kindes. Weint das Kind, dann will es etwas mitteilen, zum Beispiel dass es Hunger hat oder sich unwohl fühlt. Wenn das Kind den Blick abwendet, die Augen reibt oder gähnt, ist es müde und braucht Ruhe. Versuchen Sie zu verstehen, was ihr Kind braucht und angemessen zu reagieren. Das wird Ihnen mit der Zeit immer besser gelingen.
Wenn Kinder weinen, dann signalisieren sie damit immer ein Bedürfnis. Es ist ihre einzige Möglichkeit, sich bemerkbar zu machen. Nach und nach werden Sie lernen, die Signale und auch das unterschiedliche Weinen richtig zu deuten. Sie können dann unterscheiden, ob Ihr Kind vor Hunger weint und es füttern, ob es vor Schmerzen weint und es trösten oder ob es aus Langeweile weint und sich mit ihm unterhalten oder mit ihm spielen.
Manchmal gibt es keinen ersichtlichen Grund für das Schreien. Dann ist es wichtig zu verstehen, dass ein Baby niemals schreit, um Sie zu ärgern oder gar zu manipulieren. Manchmal wird von der Familie oder Freunden empfohlen, das Kind weinen zu lassen, um es nicht zu „verwöhnen“. Die Forschung zeigt jedoch, dass dies für die kindliche Entwicklung nicht förderlich ist. Kinder unter einem Jahr kann man nicht verwöhnen. In einem solchen Fall können Sie ihm nur Nähe und Zuwendung anbieten, durch Tragen, Streicheln und ruhiges Sprechen. Überprüfen Sie aber immer auch Anzeichen für eine mögliche Erkrankung, z. B. Fieber oder Hautausschlag. Manchmal bereitet auch das „Zahnen“ schmerzen.
Reagieren Sie möglichst schnell auf die Signale des Kindes. Säuglinge haben noch eine sehr geringe Aufmerksamkeitsspanne. Dauert die Reaktion auf sein Weinen zu lange, bekommt das Kind das Gefühl, dass seine Signale wirkungslos sind.
Damit sich eine sichere Bindung und Beziehung zwischen Eltern und Kind aufbauen kann, ist es wichtig, viel Zeit gemeinsam zu verbringen und dabei immer wieder ein ungestörtes Miteinander zu ermöglichen, z. B. durch gemeinsame Spiele oder Spaziergänge.
Es ist grundlegend wichtig, dass die Eltern ihre eigenen Interessen zurückstellen können und emotional verfügbar sind, wenn das Kind sie braucht. Das bedeutet auch, dass sie ihren eigenen Schmerz und eigene Aggressionen zurückhalten können müssen und diese nicht gegenüber dem Kind ausleben. (Dies ist insbesondere bei drogen- bzw. alkoholabhängigen und/oder psychisch kranken Eltern von Bedeutung.)
Um in der Interaktion mit dem Kind seine Autonomie und Würde zu respektieren und gleichzeitig auch angemessen in Bezug auf seinen Entwicklungsstand reagieren zu können, ist es erforderlich, dass Eltern sich in das Kind hineinversetzen bzw. hineinfühlen (durch Empathie) können.