… haben durch ihre Einstellungen, ihre Verhaltensweisen und ihren Erziehungsstil einen enormen Einfluss auf die Entwicklung von Kindern. „Der Erziehungsstil ist ein Zusammenwirken elterlichen Verhaltens, das sich in den verschiedensten Situationen zeigt und so ein kontinuierliches Erziehungsklima schafft“ (Berk 2005: S. 361 f.).
In der (westlichen) Fachliteratur werden hauptsächlich vier Erziehungsstile unterschieden, die in verschiedenen Untersuchungen bestätigt wurden. Diese unterscheiden sich in Bezug auf …
Bei diesem Erziehungsstil zeigen die Eltern bzw. Bezugspersonen dem Kind gegenüber wenig Wärme, Akzeptanz und Anteilnahme. Durch Zwangsmaßnahmen üben sie eine große Kontrolle gegenüber dem Kind aus und geben nur wenig Raum für Selbstständigkeit. Das Kind wird herabgesetzt, es wird kommandiert und angeschrien. Es gelten die Ansichten und Regeln der Eltern, denen das Kind zu gehorchen hat. Raum für eine Erklärung oder Diskussion der Ansichten, Regeln und auch Entscheidungen gibt es nicht. Das Kind hat diese ohne Hinterfragen zu akzeptieren. Gehorcht das Kind nicht widerspruchslos, reagieren autoritäre Eltern mit Gewaltanwendung und Bestrafung.
Werden Kinder autoritär erzogen, sind sie oft ängstlich und unglücklich. Jungen reagieren oft mit starker Wut und Trotz gegenüber den Eltern. Mädchen entwickeln häufig wenig Selbstständigkeit und fühlen sich bei Herausforderungen schnell überfordert.
Eltern, die einen permissiven Erziehungsstil anwenden, sind warmherzig und akzeptierend. Allerdings schenken sie ihrem Kind oft entweder zu viel oder zu wenig Aufmerksamkeit. Sie bringen sich wenig ein und üben kaum Kontrolle gegenüber ihrem Kind aus.
Es gibt kaum Regeln, so dass das Kind in vielen Bereichen weitgehend selbst entscheiden darf, auch wenn ihm dazu von seinem Entwicklungsstand her noch der Weitblick fehlt. So gibt es beispielsweise keine Begrenzungen für den Konsum von Medien oder keine Regelungen in Bezug auf das Schlafengehen.
Manche Eltern wenden diesen Erziehungsstil bewusst an, da er aus ihrer Sicht die beste Erziehung ermöglicht. Oft fehlt permissiven Eltern jedoch einfach das Vertrauen oder die Kraft, sich den Kindern gegenüber durchsetzen zu können.
Kinder, die wenig Kontrolle (und damit auch Orientierung) durch ihre Eltern bzw. Bezugspersonen erfahren, sind oft impulsiv, ungehorsam und rebellisch. Sie sind sehr anspruchsvoll gegenüber ihrer Umgebung und haben wenig Durchhaltevermögen. Insbesondere bei Jungen zeigt sich der Zusammenhang zwischen einem permissiven Erziehungsstil und einem von Erwachsenen abhängigen, leistungsarmen Verhalten.
Der unbeteiligte Erziehungsstil ist gekennzeichnet durch wenig Akzeptanz und Beteiligung vonseiten der Eltern bzw. Bezugspersonen.
Es wird wenig Kontrolle gegenüber dem Kind ausgeübt, die Entscheidungen und Meinungen des Kindes sind den Eltern egal.
Grund für die emotionale Distanziertheit sind oft bspw. Depressionen oder große Überforderung durch Alltagsstress, so dass für das Kind kaum Zeit und Energie bleibt. Im Extremfall stellt der unbeteiligte Erziehungsstil eine Form von Gewalt gegenüber dem Kind dar, nämlich Vernachlässigung. Diese kann zu dauerhaften Schäden in allen Bereichen der Entwicklung des Kindes (Bindung, kognitiv, emotional, sozial) führen.
Eltern, die nach dem autoritativen Erziehungsstil erziehen, gehen warmherzig, aufmerksam und sensibel auf die Bedürfnisse des Kindes ein. Sie gestalten die Beziehung zu ihrem Kind positiv und gefühlvoll und sind in engem Kontakt zu ihm. Gleichzeitig üben sie Kontrolle aus, begründen die Regelungen dabei aber für das Kind nachvollziehbar. Sie achten darauf, dem Kind entwicklungsgemäße Freiräume für eigene Entscheidungen zu bieten und weiten diese mit zunehmendem Alter des Kindes aus.
Autoritativ erzogene Kinder und Jugendliche zeigen eine besonders gute Entwicklung in vielen Kompetenzbereichen, z. B. in Bezug auf eine positive Grundstimmung, Selbstkontrolle, Durchhaltevermögen, Selbstwertgefühl, soziale und moralische Reife und Schulleistungen. Auch führt er dauerhaft zu einer Verringerung der stark negativen Verhaltensweisen „schwieriger“ Kinder, wie Längsschnittstudien zeigen. Dieser Erziehungsstil ist somit, betrachtet man die kindliche Entwicklung, der effektivste.
Abhängig von den Lebensumständen kann jedoch auch ein stärker lenkender und kontrollierender Erziehungsstil angebracht sein, z. B. wenn sich das Kind oder der bzw. die Jugendliche in entwicklungsgefährdenden bzw. kriminellen Gruppen bewegt.
Bei der Vorstellung von Erziehung, wie sie sich in westlich-modernen Gesellschaften wie Deutschland entwickelt hat, steht die Förderung der individuellen Fähigkeiten und der einzigartigen Persönlichkeit des jeweiligen Kindes im Vordergrund.
Das Kind hat von Geburt an das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit und das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.
Aufgabe der Eltern bzw. Bezugspersonen und des Erziehungssystems (dazu gehören Kindergarten bzw. Kita und Schule) ist es, die körperliche, geistige und seelische Entwicklung des Kindes zu fördern.
In Bezug auf die Gesellschaft soll das Kind lernen, eine eigenständige Meinung zu entwickeln und einzubringen und selbst für sich und für die Gemeinschaft Verantwortung zu übernehmen.
Die Vorstellungen zu Erziehung und das Erziehungsverhalten von Familien mit Flucht- und Migrationserfahrung sind durch die Erstsozialisation in den Herkunftsgesellschaften geprägt. Die dortigen Erziehungsideale und -ziele stehen teilweise im Gegensatz zu westlichen pädagogischen Konzepten.
So besteht beispielsweise in traditionellen verbundenheitsorientierten Gesellschaften eine auf gemeinschaftliche Zusammengehörigkeit ausgerichtete Vorstellung von Erziehung. Hier ist das Lernen am Modell der Erwachsenen zentral, wichtige Werte sind „Respekt vor Erwachsenen, Gehorsam und die Orientierung an einer religiösen Moralvorstellung“ (Abdallah-Steinkopff 2018: S. 35).
Es gibt klar vorgegebene Regeln und Pflichten, werden diese nicht eingehalten, folgen Sanktionen. Eigene, individuelle Empfindungen, Ansichten oder Wünsche werden dem Wohl des familiären Verbunds bzw. der Gemeinschaft untergeordnet. Eine solche Erziehung ist zu betrachten im Kontext eines „interdependenten, aufeinander angewiesenen Familienmusters; in vielen Fällen wird beispielsweise Gehorsam ausbalanciert durch Fürsorge und Hilfe“ (Uslucan 2011: S. 252).
Unvertraute Verhaltensweisen und Einstellungen in Erziehungsfragen werden gegenseitig oft als unnormal oder unrichtig abgelehnt. Um Fehlinterpretationen zu vermeiden, ist es hilfreich, den Entstehungskontext für die unterschiedlichen Vorstellungen zu thematisieren.
Ein Verhalten, das im Herkunftsland oder auf der Flucht notwendig war, kann in Deutschland als befremdlich und schädigend betrachtet werden, wie z. B. das Füttern von Kindern unter Zwang.
Gleichzeitig kann das in Deutschland übliche selbstständige Essen von Kindern in der Kita als Zeichen der Vernachlässigung gedeutet werden. Hier hilft ein gegenseitiger Perspektivwechsel, die jeweilige Absicht und den Sinn zu verstehen.
Die Einordnung von Erziehungspraktiken in den Lebenskontext kann auch helfen, nicht mehr passende Erziehungspraktiken an die neue Lebenssituation anzupassen.