Startseite » Familie » Entwicklung im ersten und zweiten Lebensjahr
Um sich zunehmend aktiv mit der Umwelt auseinandersetzen zu können, lernt das Kind in den ersten beiden Lebensjahren Körperkontrolle, Dinge in der Umgebung zu erreichen, Fortbewegung und das Ertasten von Gegenständen mit den Händen. Die körperliche Entwicklung stellt die Grundlage für die psychische Entwicklung dar, da sie dem Kind das Sammeln neuer Erfahrungen ermöglicht.
Zentral für die motorische Entwicklung ist die gleichzeitige Weiterentwicklung des Gehirns. Diese stellt sicher, dass das Kind neue Fähigkeiten erlernt und z. B. komplexere Bewegungen koordiniert ausführen kann. Gleichzeitig wird die Gehirnentwicklung auch durch frühkindliche Erfahrungen und Lernanreize gefördert. Hier handelt es sich also um eine Wechselwirkung von genetischer Anlage und Umgebung.
Die motorische Entwicklung wird in Feinmotorik (z. B. Greifen oder Zupacken) und Grobmotorik (z. B. Krabbeln oder Laufen) unterteilt, für beide gibt es eine weitgehend biologisch festgelegte Reihenfolge. Für die Entwicklung der motorischen Fähigkeiten sind die fortschreitende Entwicklung des zentralen Nervensystems, die Fähigkeit des Körpers, sich zu bewegen, eine Zielsetzung des Kindes und die Unterstützung durch die Umgebung Voraussetzungen (Eschrich 2014: S. 46 ff.).
Bei der motorischen Entwicklung lassen sich dennoch kulturell bedingte Unterschiede beobachten, die zum einen auf verschiedene Anforderungen und Anreize der Umgebung und zum anderen auf kulturelle Unterschiede in der Erziehung, insbesondere in Bezug auf das gezielte Fördern oder Verhindern bestimmter Bewegungen, zurückgeführt werden (Berk 2005: S. 176 f.).
Daneben entwickeln sich auch Gehörsinn, Sehsinn und Tastsinn weiter. So können Kinder bereits in ihrem ersten Lebensjahr zwischen Muttersprache und Fremdsprache unterscheiden und nach ca. sechs Monaten verfügen sie über die Sehschärfe von Erwachsenen. Der Tastsinn verfeinert sich durch die Entwicklung der visuo-motorischen Koordination. (Eschrich 2014: S. 46 ff.)
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In den ersten beiden Lebensjahren lernen Kinder, dass Gegenstände weiterhin existieren, auch wenn sie nicht mehr sichtbar sind. Sie können bei versteckten Gegenständen darauf schließen, wo diese zu suchen sind.
Sie entwickeln ein Bewusstsein über die Schwerkraft und ein erstes numerisches Grundwissen. Sie lernen, die Handlungen Erwachsener nachzuahmen, die Ziele anderer zu erschließen und beginnen alltägliche Verhaltensweisen und soziale Rollen in Als-ob-Spielen nachzuspielen.
Zum Ende des zweiten Lebensjahrs entwickeln Kinder eine Vorstellung des „Selbst“, d. h. sie beginnen, sich selbst zunehmend als eigenständige Person mit individuellen Merkmalen, Fähigkeiten und Überzeugungen wahrzunehmen.
Motorische Gewohnheiten, aber auch Erfahrungen durch Wahrnehmung, Denken und Gefühle werden im impliziten Gedächtnis gespeichert. Es kann bereits im ersten Lebensjahr aus wiederholten interaktiven Erfahrungen Regelmäßigkeiten ermitteln.
Das emotionale Gedächtnis (in der Amygdala) ist bereits voll ausgereift. Es nimmt Sinneseindrücke und Empfindungen unbewusst auf. Dabei werden insbesondere die von starken negativen Gefühlen begleiteten Außenreize aufgenommen und weitergeleitet, was entsprechende körperliche Reaktionen zur Folge hat. Das durch das Bewusstsein gesteuerte explizite oder auch (auto-)biografische Gedächtnis ist eng mit der Entwicklung des Sprachzentrums verbunden und ist erst ab ca. dem dritten Lebensjahr tätig.
In den ersten beiden Lebensjahren entwickelt sich auch die Sprachfähigkeit. Diese ist größtenteils angeboren und verläuft kulturübergreifend nach demselben Muster. In den ersten Monaten hört das Kind die Sprache und beginnt viele Wörter und Zusammenhänge zu verstehen. Nach Monaten der „Übung“ der Lautbildung, des Plapperns und Silbenlallens sowie der gezielten Bildung einzelner Silben können Kinder mit ca. einem Jahr erste Wörter aussprechen. Der Wortschatz nimmt dann rasch zu und wird genutzt, um eigene Wünsche auszudrücken und andere dazu zu veranlassen, etwas Bestimmtes zu tun. (Eschrich 2014: S. 51 ff.)
In den ersten Monaten entwickelt sich die emotionale Ausdrucksfähigkeit des Kindes weiter.
Aus zunächst undifferenzierten Ausdruckszeichen werden zunehmend gerichtete Ausdruckszeichen, wie z. B. soziales Lächeln oder Hungerschreien. Diese sind an bestimmte Anlässe geknüpft und haben eine bestimmte Reaktion der Bezugsperson zum Ziel.
Gleichzeitig entwickeln Kinder auch ihre emotionale Eindrucksfähigkeit weiter. Sie nehmen die emotionalen Ausdrücke anderer Personen wahr und reagieren darauf, zunächst in Form von „Gefühlsansteckung“. Später können sie den emotionalen Ausdruck einer inneren Befindlichkeit zuordnen.
Zwischen 18 und 24 Monaten zeigen Kinder zum ersten Mal auch soziale Gefühle wie Scham, Verlegenheit, Schuld oder Stolz, dies hängt mit der Entwicklung des „Selbst“ zusammen. Kinder werden bei der Entwicklung von Gefühlen durch ihre Eltern bzw. ihr Umfeld geprägt. Sie lernen von ihnen, in welchen Situationen sie welche Gefühle haben sollten. (Eschrich 2014: S. 55f.)
In den ersten beiden Lebensjahren werden Kinder besonders stark geprägt durch ihre Umwelt. Gefühle und Verhaltensweisen werden unbewusst gelernt bzw. übernommen. Das Kind braucht emotionale Zuwendung, Kontakt und Ansprache durch vertraute Menschen und Lernanreize, um sich in den verschiedenen Bereichen gut entwickeln zu können. Dies gilt insbesondere auch für Kinder mit einem „schwierigen“ Temperament. Hier neigen Eltern dazu, emotional abweisend mit Ärger und strenger Disziplin zu reagieren, was jedoch das „schwierige“ Temperament eher verstärkt. „Schwierige“ Kinder benötigen vielmehr eine besondere Unterstützung dabei, die Regulierung ihrer Emotionen zu lernen. Hierfür ist ein warmherziger und akzeptierender Erziehungsstil mit klaren, entwicklungsgemäßen Anforderungen am hilfreichsten (Berk 2005: S. 251).
Wächst das Kind in einer Umgebung auf, in der Aggression und Gewalt herrscht, führt das zum einen zu negativen körperlichen Reaktionen, zum anderen werden die negativen Gefühle unbewusst gespeichert und Aggression und Gewalt wird als (normale) Verhaltensweise gelernt.