Startseite » Kinder » Entwicklung im Neugeborenenalter
… Tagen und Wochen nach der Geburt ist es die Hauptaufgabe des Kindes, sich an die Umgebung außerhalb des Mutterleibs anzupassen, Körperfunktionen zu regulieren und mit den Menschen, die für es sorgen, in Kontakt zu treten.
Zunächst sind die Bewegungen noch unkoordiniert, mit der zunehmenden Entwicklung der Muskulatur nimmt die Koordination langsam zu. Neugeborene sind bereits in der Lage, Sinneseindrücke aus verschiedenen „Kanälen“ wahrzunehmen und zu einem Gesamteindruck zusammenzufügen. Der Geschmackssinn und der Geruchssinn sind bereits so gut ausgebildet wie bei Erwachsenen, dies dient dazu, die mütterliche Brust zu finden und eine Bindung zur Mutter als vertrauter Person aufzubauen. Hören und sehen sind bereits möglich, jedoch noch nicht sehr differenziert. Am stärksten ausgeprägt ist der Tastsinn. Neugeborene tasten und befühlen Gegenstände mit dem Mund (die Hände können dies noch nicht) (Eschrich 2014: S. 37ff.).
Besonders wichtig sind angenehme Berührungen und Körperkontakt. Diese fördern das frühe körperliche Wachstum und die emotionale Entwicklung und sind somit lebenswichtig (Berk 2005: S. 142). Auch wirken sie sich positiv auf das Immunsystem und die Gesundheit insgesamt aus (Eschrich 2014: S. 37ff.).
Gleichzeitig sind Neugeborene sehr empfindsam bei Schmerzen. Erleidet ein Neugeborenes starke Schmerzen, dann kann sich dies auf das spätere Verhalten auswirken, indem z.B. auf Routineimpfungen stärker reagiert wird. Hier können ein Sauger und ein sanftes Halten durch vertraute Personen zur Linderung der Schmerzen beitragen (Berk 2005: S. 143).
Der kognitive Entwicklungsprozess ist in dieser Phase durch die Auseinandersetzung mit der Umwelt in Form von Koordinierung sensorischer Wahrnehmung und motorischen Verhaltens geprägt. „Der Säugling lernt seine Umgebung durch eigene Handlungen kennen und realisiert die Existenz einer äußeren Welt“ (Eschrich 2014: S. 43f.).
Er nimmt Menschen bereits wahr und versucht zu kommunizieren. Durch Beobachtung lernt er recht schnell Mimik und Gestik der Menschen in seinem Umfeld (instinktiv) nachzuahmen. (Eschrich 2014: S. 42ff.)
Neugeborene können die emotionale Gestimmtheit anderer Personen bereits recht schnell nach der Geburt wahrnehmen. Dies geschieht insbesondere über den Gesichtsausdruck. Sie selbst können zunächst jedoch nur wenig differenziert Gefühle ausdrücken (erst mit ca. zwei Monaten lassen sich bspw. verschiedene Ausdrucksformen des Schreiens differenzieren).
Bereits bei Neugeborenen lassen sich verschiedene frühkindliche Temperamente unterscheiden, u.a. durch Unterschiede in der Intensität emotionaler Reaktionen oder des Niveaus der Aufmerksamkeit. Grundlage der verschiedenen Ausprägungen ist vermutlich das individuell ausgereifte zentrale Nervensystem, das Körperfunktionen und die Erregungsregulation steuert (Eschrich 2014: S. 45f.).
In der Literatur werden drei verschiedene Grundtypen von Temperamenten unterschieden, „einfache, pflegeleichte“ Kinder, die Interesse an Neuem zeigen, eine positive Grundstimmung haben und sich leicht beruhigen lassen, „schwierige“ Kinder, die einen unregelmäßigen biologischen Rhythmus haben, sich leicht irritieren lassen und nur schwer zu beruhigen sind sowie „langsam aktiv werdende“ Kinder, die nur langsam auf neue Reize reagieren, insgesamt wenig Aktivität zeigen und eher eine negative Grundstimmung haben. Jedoch lassen sich nicht alle Kinder einem der genannten Temperamente zuordnen. Ca. ein Drittel zeigen eine ganz individuelle Mischung an Temperamentsmerkmalen (Berk 2005: S. 245).
Das Temperament stellt einen wichtigen Einflussfaktor auf die sozioemotionale Entwicklung des Kindes dar, kann jedoch auch zur Entwicklung von Verhaltensstörungen führen. Wichtig ist, dass das Temperament einen Einfluss auf die Interaktion zwischen Kind und Eltern sowie auf das Erziehungsverhalten hat. Gleichzeitig hat auch das Erziehungsverhalten einen Einfluss auf das Temperament (Eschrich 2014: S. 45f.).
Die Bewertung der verschiedenen Temperamentsmerkmale und die entsprechende Reaktion der Bezugspersonen ist dabei teilweise abhängig von den jeweiligen kulturellen Werten (Berk 2005: S. 251).
→ Das Baby an die Schulter heben und schaukeln oder herumgehen …
… Das bietet eine Kombination von körperlichem Kontakt, einer aufrechten Haltung und Bewegung. Es ist die wirksamste Methode zur Beruhigung.
→ Das Baby fest wickeln …
… Verminderte Bewegung und Zunahme der Wärme beruhigt oft ein sehr kleines Kind.
→ Einen Schnuller anbieten …
… Saugen hilft dem Baby dabei, den eigenen Erregungszustand zu kontrollieren.
→ Sanft mit ihm sprechen oder rhythmische Laute erzeugen …
… Fortlaufende, monotone, rhythmische Geräusche wie das Ticken einer Uhr, das Summen eines Ventilators oder friedliche Musik sind wirksamer als Geräusche mit Unterbrechungen.
→ Das Baby kurz im Auto herumfahren oder im Kinderwagen schieben oder in einer Wiege schaukeln …
… Sanfte, rhythmische Bewegung jeder Art hilft dabei, das Baby zum Einschlafen zu bringen.
Neugeborene sind, um zu überleben, auf die Versorgung und Fürsorge durch andere Menschen angewiesen. Dabei spielt neben den körperlichen Grundbedürfnissen wie Nahrung, Schlaf, Körperpflege und medizinische Versorgung auch die emotionale Zuwendung durch liebevolle Berührungen und Körperkontakt, eine ruhige, liebevolle Ansprache und eine liebevolle Mimik eine wichtige Rolle.
Neugeborene können bereits negative Stimmungen und unangenehme oder Schmerzen bereitende Berührungen wahrnehmen. Diese können sich negativ auf die Bindungsfähigkeit des Kindes auswirken. D. h. auch wenn ein Säugling scheinbar wenig von seiner Umwelt mitbekommt, haben aggressive Äußerungen oder Handlungen ihm gegenüber bereits langfristige, schädigende Auswirkungen.
Auch mangelnde Zuwendung oder Emotionslosigkeit der Eltern, insbesondere der Mutter, wirkt sich negativ auf die sozio-emotionale Entwicklung, aber auch auf die anderen Entwicklungsbereiche aus. Die Gründe dafür können vielfältig sein, z. B. eine Traumatisierung oder andere psychische Erkrankung, Überforderung mit der Lebenssituation und Versorgung des Kindes oder Ablehnung des Kindes, wenn es z. B. infolge einer Vergewaltigung zur Schwangerschaft kam. Hier sind möglichst früh ansetzende Hilfen von großer Bedeutung für die Entwicklungschancen des Kindes.
In dieser ersten Zeit nach der Geburt kann ein „schwieriges Temperament“, also z. B. wenn das Kind häufig schreit und sich nur schwer beruhigen lässt oder wenn es unregelmäßige und nur kurze Schlafphasen hat, bei den Eltern Überforderung und Aggressionen auslösen. Diese übertragen sich wiederum auf das Kind und können sich so zu einem „Teufelskreis“ verfestigen. Hier ist es wichtig, sich Unterstützung und Entlastung zu holen und mögliche körperliche Ursachen beim Kinderarzt bzw. der Kinderärztin abzuklären. In manchen Fällen können sogenannte „alternative“ Behandlungsformen wie Osteopathie hier sehr gut wirksam sein.
Wichtig ist darauf hinzuweisen, dass das Kind, auch bei längeren Schreiphasen, niemals „geschüttelt“ werden darf, um es ruhig zu stellen. Das „Schütteln“ führt bei Neugeborenen zu schweren Schädigungen des Gehirns und kann sogar tödlich sein. Dafür reichen bereits wenige Sekunden.