Geschlechtssensible Erziehung

In fast jeder Kultur ...

… auf der Welt gibt es Vorstellungen darüber, wie Männer und Frauen sein sollen. In der Erziehung werden die Kinder auf ihre spätere Rolle in der Gemeinschaft vorbereitet. Doch nicht immer sind diese Vorstellungen gut, manchmal können sie sogar sehr schädlich sein. Insbesondere wenn die Geschlechterrollen sehr rigide sind.

Hintergrund 1

Rigide Geschlechterrollen

Ein Grund für rigide, nicht gleichberechtigte Geschlechterrollen können tradierte Vorstellungen sein. Traditionelle Geschlechtsrollenorientierungen und behütende Erziehungseinstellungen gibt es besonders in religiösen Familien (christlich wie muslimisch) (Abdallah-Steinkopff 2018: S. 92). Oft kommen jene Orientierungen und Einstellungen im Zusammenhang mit dem Beginn der Pubertät zu Tage.

Aber auch der Bildungsstand und die Dauer der Schulbildung der Eltern spielen eine Rolle (Uslucan 2010: S. 156).

Oft werden Töchter …

... stärker an die Familie gebunden, insbesondere, wenn traditionelle Konzepte der „(Familien-)Ehre“ vorherrschen. Kontakte außerhalb der Familie sind dann nicht erwünscht, um den „guten Ruf“ der Tochter und somit der Familie zu wahren. Auf den Töchtern lastet infolge der traditionellen Geschlechterrollenverständnisse mehr Verantwortung, den „guten Ruf“ der Familie nicht zu beschädigen, als auf den Söhnen. Sie werden dadurch in vielen Lebensbereichen zum Teil massiv eingeschränkt, z. B. bei der Teilnahme an schulischen und außerschulischen Aktivitäten oder bei Kontakten zu Gleichaltrigen. Söhnen hingegen werden mehr Freiräume und Möglichkeiten zu Außenkontakten eingeräumt (Abdallah-Steinkopff 2018: S. 93).

Auch Jungen …

... können durch starre Geschlechterstereotype eingeschränkt werden, jedoch auf eine andere Weise. Dem traditionellen Bild von Männlichkeit entsprechend sollen Jungen zu körperlicher und geistiger Stärke, zu Dominanz und selbstbewusstem Auftreten erzogen werden. „Wenn ein Jugendlicher diese Eigenschaften nicht zeigt, wird er als Frau und Schwächling bezeichnet. Wenn ein Mann zu homosexuellen Männern Kontakt aufnimmt, wird er als unmännlich und Schande begriffen, weil er – aus diesem Geschlechtsbegriff heraus – eine Frauenrolle übernommen hat, die sich mit der traditionellen Männerrolle nicht vereinbaren lässt.“ (Toprak & Alshut 2013: S. 290)

Konsequenzen für die Gewaltprävention ...

Bei der gewaltpräventiven Arbeit kann eine Auseinandersetzung mit traditionellen Vorstellungen bzw. dem in Deutschland vorherrschenden Rollenverständnis Thema werden.

Der Grundsatz der Gleichberechtigung und Chancengleichheit ist u. a. im deutschen Grundgesetz verankert, so besagt Artikel 3 Absatz 2: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.

Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“

Was die Entwicklung und Ausgestaltung der eigenen Geschlechtlichkeit betrifft, also wie möchte ich als Junge/Mann oder Mädchen/Frau sein bzw. leben, ist diese in Deutschland als eine „individuelle, gesellschaftlich gerahmte (und letztlich lebenslange) Entwicklungs- und Gestaltungsaufgabe aufzufassen, die nicht schon mit der Geburt als Junge oder Mädchen erledigt ist.“

(Neubauer 2013: S. 23).

Hintergrund 2

Gleichberechtigung in der Erziehung

Mädchen und Jungen sollen sich unabhängig von ihrem Geschlecht, im Sinne von Gleichberechtigung, Chancengleichheit und Geschlechtergerechtigkeit, gut entwickeln können und gleiche Chancen auf Erfolg und Ansehen in Schule und Beruf haben (Neubauer 2013: S. 29).

Dies ist zum einen Aufgabe der Erziehungs- und Bildungseinrichtungen in Deutschland (also von Kindergärten, Kitas, Schulen). Gleichzeitig sind hier aber auch die Eltern, als erste und prägendste Sozialisationsinstanz, gefordert.

Die Gleichbehandlung der Geschlechter hat, so zeigen aktuelle Forschungsergebnisse, einen positiven Einfluss auf die kognitive und sozioemotionale Entwicklung von Kindern. Dementsprechend wurde festgestellt, dass eine Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts sich negativ auf die kindliche Entwicklung auswirkt (Heisig 2019: S. 12).

Vorstellungen zu den Geschlechterrollen werden im Alltag in der Regel unbewusst und unreflektiert weitergegeben, z. B. durch die von den Eltern getroffene Wahl von Kleidung und Spielzeug, aber auch durch Sprache (z. B. auch in Geschichten und Liedern) und Verhalten (z. B. Mädchen Komplimente geben, Jungen weniger trösten).

Konsequenzen für die Gewaltprävention ...

In einem ersten Schritt kann es wichtig sein, die Eltern für das Thema Geschlechtergerechtigkeit zu sensibilisieren. Im zweiten Schritt können konkrete Anregungen für eine Gleichbehandlung bzw. Gleichberechtigung der Geschlechter in der Erziehung gesammelt und diskutiert werden.

Wichtige Ansatzpunkte sind, die Aufgaben im Haushalt geschlechterunabhängig an die Kinder zu verteilen und auch beim Aufstellen der Regeln darauf zu achten, dass es hier keine Unterschiede für Söhne und Töchter gibt.

Hierbei kann die Filmsequenz „Equality“ der Reihe „Families make the difference - parenting skills videos“ der Organisation IRC Child Protection & Education gezeigt und besprochen werden, unter:

https://vimeo.com/channels/fmdvids.

LEITFADEN

für Informationsveranstaltungen
oder Gespräche
mit Familien oder Elterngruppen
zur geschlechtssensiblen Erziehung