Startseite » Gewalt » Das Konzept der „hegemonialen Männlichkeit“ (nach Connell)
Das Konzept der „hegemonialen Männlichkeit“ (von der australischen Soziologin Raewyn Connell) beschreibt eine spezielle gesellschaftliche Dynamik. Diese ermöglicht, dass eine bestimmte Gruppe an Männern die Führungsposition im gesellschaftlichen Leben einnimmt und aufrechterhält.
Dabei geht es nicht um „die Männer“ oder „Männlichkeit“ an sich, sondern um „jene Form von Männlichkeit, die in einer gegebenen Struktur des Geschlechterverhältnisses die bestimmende Position einnimmt“ (Connell 2006: S. 97).
Connell beschreibt mit ihrem Konzept zwei Bezugspunkte dafür:
An „echte“ hegemoniale Männlichkeit werden nach Connell eine Reihe an Verhaltenszuschreibungen und -anforderungen gerichtet. Was zählt ist: Wer gibt in der Gruppe den Ton an? Wer kann sich durchsetzen und andere dominieren?
In der Hierarchie „wahrer“ Männlichkeit stehen entsprechend folgende Verhaltensweisen ganz oben:
Männer, die z. B. von rassistischer Diskriminierung betroffen sind, fallen nach dem Konzept von Connell unter die Kategorie der „marginalisierten Männlichkeit“. Hierbei geht es um die Verschränkung der Kategorie ,Geschlecht’ mit anderen Kategorien wie Klasse, Ethnie oder Nationalität. Männer, die der Idealnorm weißer und ökonomisch starker Männlichkeit nicht entsprechen, wie es bei vielen Geflüchteten der Fall ist, sind somit explizit in dieses Konzept mit einbezogen.
Die Abgrenzung zur Weiblichkeit ist es, die alle miteinander rivalisierenden Männer miteinander vereint. In geschlossenen Männerzusammenkünften, zu denen Frauen keinen Zugang haben, können sie sich gegenseitig aufwerten, indem sie sich von Weiblichkeit abgrenzen und diese abwerten. Davon profitieren auch Männer, die der benannten Idealnorm von Männlichkeit nicht entsprechen.
Die relativen Vorteile gegenüber Frauen begünstigen, dass auch die untergeordneten Männer, die das Ideal nicht erfüllen können, sich nicht dagegen positionieren. Sie werden zu „Komplizen“ der dominierenden Männergruppe.
Eine Solidarisierung mit dem vermeintlich schwächeren weiblichen Geschlecht könnte außerdem dazu führen, selbst noch mehr als schwach oder „verweiblicht“ abgewertet zu werden. Solidarisierung entspricht nicht dem Dominanzdenken, das das Ideal der „hegemonialen Männlichkeit“ prägt.
In von Männern dominierten Gesellschaften stehen Männer unter einem ständigen Druck, diesem konstruierten Männlichkeitsideal entsprechen zu müssen. Sie müssen sich immer wieder beweisen und beim gesellschaftlichen Leistungsprinzip, das auf Konkurrenz und Rivalität beruht, mithalten. Ansonsten laufen sie Gefahr, als schwach, abhängig oder unmännlich zu gelten.
Das starre vorgegebene Ideal kann von keinem Mann gänzlich und auf Dauer erfüllt werden. Minderwertigkeitsgefühle, Selbstabwertung und Versagensängste sind eine zwangsläufige Folge, wenn sich ein Mann zu sehr mit diesem letztlich destruktiven Ideal (Schmidbauer 1980) identifiziert. Die Anspannung und Frustration kann eine Situation entstehen lassen, in der die Anwendung von Gewalt der Wiederherstellung eines Gefühls von Macht und Kontrolle dient. Gewalthandlungen können als Versuch verstanden werden, ein unsicheres männliches Selbstbild durch aggressive Handlungen zu kompensieren.
Die Identifizierung mit dem starren, destruktiven Männlichkeitsideal als Ursache für die Anspannung und Frustration ist den darunter leidenden Männern oft nicht bewusst. Diese Zusammenhänge zu thematisieren und zu reflektieren, ist ein wichtiger Ansatzpunkt in der gewaltpräventiven Männerarbeit.