Startseite » Gewalt » Arbeit zu „Männlichkeit“ und „Mann-Sein“ mit geflüchteten und neu zugewanderten Männern
… wird oftmals als (für die Täter) scheinbar alternativlose Bestätigung der eigenen Männlichkeit verstanden. Dadurch kann eine solche Gewaltausübung als Ausdruck von Unsicherheit bezüglich der eigenen Männlichkeit und der eigenen Rolle in der Gesellschaft bzw. der eigenen Beziehung angesehen werden.
Dies verdeutlicht, warum das Problem „Gewalt gegen Frauen“ Männer beschäftigen sollte. Andererseits ist so das Hauptthema erkennbar, das für eine erfolgreiche gewaltpräventive Männerarbeit im Mittelpunkt stehen sollte: die Beschäftigung mit der eigenen Männlichkeit und der damit zusammenhängenden Rolle in Gesellschaft und persönlichen Beziehungen.
Viele Männer haben sich noch nie mit dem Thema „Männlichkeit“ und der Frage, wie diese „Männlichkeit“ im Verhältnis zu anderen gesellschaftlichen Kategorien steht, auseinandersetzen müssen. In jeder Kultur existieren zwar Idealbilder, „wie ein Mann zu sein hat“ und wie er sich Frauen bzw. anderen Männern gegenüber verhalten sollte. Dieses „Mann-Sein“ ist jedoch oft mit Privilegien verbunden. Ein kritisches Hinterfragen der Geschlechterrollen würde sich negativ auf diese Privilegien auswirken. Daher stoßen Versuche bzw. Ansätze, das Geschlechterverhältnis zu hinterfragen, oftmals auf Widerstand.
Ein ausführliches und zielgerichtetes Annähern an eine Auseinandersetzung mit diesem sensiblen Thema ist z. B. durch Biografiearbeit, wie sie in der Männerarbeit üblich ist, möglich.
Ist dies aufgrund der Zeit oder des Rahmens nicht möglich, kann der Zugang auf andere Weise erreicht werden. Dies wird im Folgenden anhand des Konzepts für die MiMi-Informationsveranstaltungen (erstellt von Anne Rosenberg) dargestellt.
Die Beschäftigung mit dem Thema „Männlichkeit“ ist für die meisten Männer ungewohnt und neu. Ein Ziel der gewaltpräventiven Arbeit ist daher, ein Nachdenken über die eigenen Erfahrungen und Verhaltensweisen anzuregen und zunächst überhaupt zu ermöglichen.
Vorträge (z. B. mit einer PowerPoint-Präsentation und/ oder Infomaterial) sind dafür nicht unbedingt zielführend. Sie können bei manchen Männern zwar durchaus ein individuelles Auseinandersetzen anstoßen. Allerdings ist davon auszugehen, dass bei einer so sensiblen Thematik viele „nur“ zuhören und sich nicht weiter damit beschäftigen.
Außerdem sind traditionelle Männerbilder überwiegend durch Konkurrenzdenken geprägt. Ängste und Unsicherheiten werden oftmals als „Schwäche“ interpretiert. Daher werden sich Männer in einer Männergruppe kaum zu ihren eigenen Ängsten und Unsicherheiten äußern, wenn nicht ein geschützter Raum dafür ermöglicht wird.
Wird ein Vortrag zu „neuer Männlichkeit“ gehalten und darüber, wie sich „neue Männer“ zu verhalten haben, werden dadurch weitere Ansprüche und Erwartungen an die Männer gestellt. Diese können zu neuen Überforderungen führen bzw. das bestehende Überforderungsgefühl verschlimmern. Somit gilt es, andere Zugänge zu finden.
Eine beliebte Methode, problematische Themen auf „alternative Weise“ zu behandeln, sind Rollenspiele. Diese Methode wird vor allem an Schulen angewandt, um die Jugendlichen zum Mitmachen zu animieren.
Dies kann hilfreich sein, um eine ggf. angespannte Stimmung aufzulockern und so eine arbeitsfördernde Gruppendynamik zu schaffen. Allerdings können sich Rollenspiele bei Erwachsenen – und vor allem bei Männern mit traditionellem Rollenverständnis – auch negativ auf die Gruppendynamik und die Arbeitsatmosphäre auswirken. So kann die Aufgabe, ein „Stück“ über eine alltägliche Situation vorzuspielen, auch dazu führen, dass die Leitung der Veranstaltung von den Teilnehmenden nicht länger ernstgenommen wird. Dies hätte für den weiteren Verlauf der Veranstaltung äußerst negative Auswirkungen.
Ist die Gruppe miteinander und mit der Leitung vertraut, kann ein solches Rollenspiel jedoch helfen, schwer auszudrückende Gefühle und Probleme durch Spielen einer fiktiven Figur sichtbar zu machen und leichter zu benennen. Es unterliegt somit der Einschätzung der Leitung, wann diese Methode gut eingesetzt werden kann.
Eine verwandte, aber für Erwachsene leichter zugängliche Form des Rollenspiels ist das „Storytelling“. Dabei werden Geschichten erzählt bzw. vorgelesen.
Die Geschichten beschreiben alltägliche Probleme und wie diese von „Helden“ bewältigt werden. Diese Helden sind dabei keine übernatürlichen Wesen mit Superkräften, sondern beispielsweise ein arbeitsloser Mann, der nach hunderten abgelehnten Bewerbungen immer noch nicht aufgibt, wieder eine Arbeitsstelle zu finden. Diesen Mann in der Geschichte und der Nachbesprechung als Helden zu bezeichnen, kann durchaus schon ein Um- bzw. Nachdenken über Männerbilder anstoßen.
Es empfiehlt sich, für dieses Setting eine Geschichte mit einem Helden zu wählen, der als Mann eine traditionell gesehen „unmännliche“ Rolle in der Gesellschaft einnimmt. Gleichzeitig sollte der Mann sich selbst trotzdem als Held betrachten und vor allem von anderen als Mann und sogar als Held betrachtet werden. Dadurch lässt sich womöglich eine Diskussion in der Gruppe leichter beginnen. Auch hier ist wieder die Zusammensetzung der Gruppe zu berücksichtigen und dass die Leitung die Teilnehmenden (gut) kennt.
Helden bzw. Vorbilder sind von entscheidender Wichtigkeit. Gerade im täglichen Leben sollten heranwachsende und erwachsene Männer Vorbilder haben, die zeigen, dass es auch ohne Machtausübung gegenüber Frauen oder anderen Männer möglich ist, „ein Mann zu sein“. Über persönliche Vorbilder der Teilnehmer ist schon eine erste Annäherung an die Auseinandersetzung mit Männerbildern möglich.
Der wichtigste Aspekt, der während der gewaltpräventiven Arbeit vermittelt werden sollte, ist die Erkenntnis, dass Männer Ängste und Probleme haben und zeigen dürfen und dennoch Männer bzw. Helden sein können. Diese Erkenntnis kann meist nicht an einem bzw. wenigen Terminen/ Veranstaltungen erreicht werden. Ist die Anzahl der Termine/ Veranstaltungen begrenzt, muss das Ziel sein, einen Denkprozess anzustoßen und den Männern, soweit möglich, weitere Gruppen-Treffen anzubieten. Erst nach einem längeren Prozess kann ein nachhaltiges Umdenken über Männlichkeit und Geschlechterrollen erreicht werden.