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Zugewanderte und insbesondere geflüchtete Menschen mit Behinderungen sind häufig Gefährdungen und Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt (Köbsell 2019: S. 64).
Beim Risiko, Gewalt zu erfahren, spielen verschiedene Diskriminierungen zusammen, insbesondere in Bezug auf Behinderung, Migration, Geschlecht und Alter.
Im Folgenden wird auf die Situation von Frauen eingegangen, als besonders betroffene Gruppe.
Verschiedene Studien stellen fest, dass Frauen mit Behinderungen häufiger und über einen längeren Zeitraum von Gewalt betroffen sind. Außerdem sind die Formen der Gewalt gegen sie schwerer. Besonders erhöht ist die Betroffenheit von sexueller Gewalt im Lebensverlauf sowie von psychischer und körperlicher Gewalt im Erwachsenenalter (Schröttle/Glammeier 2014: S. 288).
Täter*innen sind häufig Partner, Familienangehörige, Kolleginnen und Kollegen oder auch Betreuungskräfte. Jedoch besteht auch ein hohes Maß an Diskriminierung und struktureller Gewalt in den anderen Lebensbereichen, im öffentlichen Raum oder auch bei Behörden und in den Einrichtungen des Gesundheitswesens (Schröttle/Glammeier 2014: S. 288 ff.).
Als Risikofaktoren, insbesondere für Gewalt in der Partnerschaft und Familie, werden Gefühle der Bedürftigkeit bzw. Abhängigkeit und der Wertlosigkeit genannt. Oft wird auch keine Alternative zur bestehenden Situation gesehen. Diese Faktoren führen oft dazu, dass im Gewaltfall seltener Hilfe gesucht wird. (Schröttle/Glammeier 2014: S. 291)
„Die unter Umständen mit einer Behinderung, aber auch mit der Gewalt einhergehenden sozialen Isolierungstendenzen stellen eine weitere Barriere dar.“ (Schröttle/Glammeier 2014: S. 291).
Gewalt gegen Frauen mit Behinderungen ist nicht als persönliches Problem der Betroffenen zu betrachten. Die zwischenmenschliche Gewalt ist eingebettet in gesellschaftlich verankerte Diskriminierungsstrukturen und strukturelle Gewalt. So werden die Betroffenen als Frauen und als Behinderte in ihrem Zugang zu gesellschaftlichen Ressourcen und Macht eingeschränkt. „Präventions- und Unterstützungsmaßnahmen müssen deshalb auch unmittelbar mit dem Abbau und der Bekämpfung entsprechender Diskriminierungen sowie hierarchisierender Strukturen und Konstruktionen einhergehen.“ (Schröttle/Glammeier 2014: S. 293).
Auf die Gewaltbetroffenheit von Frauen mit Migrationshintergrund (insbesondere von geflüchteten Frauen) wird in der Lernressource „Geschlechtsspezifische Gewalt“ ausführlich eingegangen. Sie teilen mit Frauen mit Behinderungen die hohe Betroffenheit von personaler Gewalt sowie von struktureller Diskriminierung (Schröttle/Glammeier 2014: S. 293).
Gleichzeitig werden sowohl Frauen mit Behinderungen als auch Frauen mit Migrationshintergrund im öffentlichen Diskurs häufig als schwache, wehrlose Opfer stigmatisiert (Schröttle/Glammeier 2014: S. 299 ff.).
Zur Gewaltbetroffenheit von Frauen mit Migrationshintergrund und Behinderungen gibt es bislang kaum verlässlichen Zahlen. Diese müssten außerdem die Vielfalt der Lebenslagen dieser Personengruppe berücksichtigen.
Studien, u.a. der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, zeigen in Bezug auf Diskriminierungen eine Mehrdimensionalität bzw. Überschneidung von verschiedenen Merkmalen (Intersektionalität) auf, u. a. aufgrund von ethnischer Herkunft, Behinderung und Geschlecht (Beigang et al. 2017: S. 111 ff).